Idea Interview: Filmproduzent möchte Glaubenshelden ­ bekanntmachen

cfnet(köln) – idea(Wetzlar)

Der FilmproAlexander Thiesduzent Alexander Thies
hat die weitverbreitetsten deutschen christlichen Filme
produziert und ist doch vielen Christen unbekannt: Alexander Thies, Geschäftsführer des Filmunternehmens NFP, das an den Standorten Halle an
der Saale, Berlin und Wiesbaden tätig ist. Sein Vater – Franz Thies –
hatte die Firma 1956 gegründet. Er ist unter anderem Erfinder der
Mainzelmännchen des ZDF. Alexander Thies ist es zu verdanken, dass drei
evangelischen Christen ein Film gewidmet wurde: Dietrich Bonhoeffer
(2000), Martin Luther (2003) und Albert Schweitzer (2009). Sie liefen
sowohl in Kinos als auch im Fernsehen. Thies ist ebenso
Vorstandsvorsitzender der Allianz Deutscher ­Produzenten – Film und
Fernsehen, die einen Umsatz von rund 4 Milliarden Euro repräsentiert. Mit
ihm sprach idea-Leiter Helmut Matthies (Wetzlar).

idea: In diesem Sommer startete Ihr Internet­angebot zur Reformation: „
LUTHERBASE “ (www.lutherbase.de). Warum macht eine Film­produktionsfirma
so etwas? Thies: Wir wollen das, was Reformation bedeutet, anders als
bisher verdeutlichen. Wir gehen nicht von abstrakter Theologie aus,
sondern davon, was damals die Menschen bewegt hat. Und das tun wir, indem
wir die Stätten der Reformation mit Musik und kurzen Filmen vorstellen.
Wir haben festgestellt, dass die Nutzer dadurch ermuntert werden, sich
dann auch theologisch mit der Reformation zu beschäftigen. Warum macht
das die evangelische Kirche nicht selbst? Es ist unsere Initiative
gewesen, und zuerst stimmte ihr der damalige Beauftragte der
Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, zu. Er unterstützte
das Projekt sofort. Die EKD hat sich prinzipiell positiv geäußert, konnte
uns aber finanziell nicht helfen. „Luther“ ist der erfolgreichste
deutsche Film in den USA Ihr Lutherfilm ist der erfolgreichste deutsche
Film in den USA geworden. Wie erklären Sie sich das? Filmplakat zum
Kinostart 2003. Foto: PR
Unser Ziel war, Glaubenshelden aus dem deutschsprachigen Bereich – wie
eben Luther, Bonhoeffer und Schweitzer – einem ausländischen Publikum
bekanntzumachen. Wir haben Luther nicht in erster Linie als Theologen
vorgestellt, sondern als Menschen, der zunächst von vielen Unsicherheiten
und von Angst vor einem zürnenden Gott geprägt war. Dann aber hat er aus
seiner neuen Sicht des Neuen Testamentes Vertrauen zu Gott und damit
Sicherheit gewonnen. Zum Erfolg trug auch bei, dass wir ausgezeichnete
Schauspieler hatten, wie Joseph Fiennes, der den jungen Luther spielte,
oder Peter Ustinov. Und natürlich haben wir die Sehgewohnheiten der
Nordamerikaner berücksichtigt, also mehr Hintergrundwissen einfließen
lassen, als es im deutschsprachigen Raum nötig gewesen wäre. Die
Glaubwürdigkeit der Darstellung hat die Amerikaner besonders beeindruckt.
Und das Echo im Mutterland der Reformation? Insgesamt 3,5 Millionen
Menschen haben den Historienfilm bisher im deutschen Sprachraum gesehen –
abgesehen von Millionen Fernsehzuschauern, denn der Film wird seit Jahren
am Reformationstag (31. Oktober) beispielsweise in der ARD wiederholt.
Viele sind fasziniert, dass Luther nicht drumherum redet, sondern sagt,
was Sache ist. Der Film hat zahlreiche Diskussionen ausgelöst und die
Reformation vielen Menschen ganz neu nahegebracht. Was fasziniert Sie an
Luther? Dass man keine Angst zu haben braucht, wenn man Gott und seinem
Wirken vertraut. Die vielen Fragezeichen, die im Leben kommen, sollten
wir als Herausforderungen ansehen, sie mit Gott als Begleiter zu
bewältigen. Er hat uns unser Leben geschenkt und sagt: Nun mach was
draus! Wie kam es überhaupt zur Idee für den Lutherfilm? Ich habe eine
Zeit lang als Investmentbanker in den USA gearbeitet, bevor ich in das
Unternehmen meiner Eltern eingestiegen bin. Dabei habe ich festgestellt,
dass das Thema Religion dort eine Riesenrolle spielt und viele Amerikaner
deutsche Wurzeln haben. Und dann wollte ich den Amerikanern, deren
Deutschlandbild noch stark von der nationalsozialistischen Zeit geprägt
war, zeigen, dass es auch ganz andere Deutsche gegeben hat, wie eben
Dietrich Bonhoeffer (1906–1945), der in den USA kaum bekannt war. Nachdem
dieser Film sehr erfolgreich war, haben wir uns an Martin Luther gewagt.
Begeisterung in den USA über den Bonhoefferfilm Beeindruckt Sie bei
Bonhoeffer der brillante Theologe aus Breslau oder der Widerstandskämpfer
im Dritten Reich? Filmplakat zum Kinostart 2000. Foto: PR
Man kann beides nicht trennen. Bonhoeffer hat das gemacht, was er gesagt
und geschrieben hat, dass man nämlich in großen Notsituationen als Christ
auch politisch handeln muss. Er gebrauchte dabei das folgende Bild: „Wenn
ein Wahnsinniger mit dem Auto durch die Straßen rast, kann ich als
Pastor, der dabei ist, nicht nur die Überfahrenen trösten und beerdigen,
sondern ich muss dazwischenspringen und ihn stoppen, ich muss dem Rad in
die Speichen fallen.“ Mich fasziniert hier Bonhoeffers aufrechter Gang
und dass man sich als Christ nicht von Angst leiten lassen darf. Solche
Menschen braucht jedes Land – auch heute. Ich muss mich selbst auch immer
wieder fragen: Wie verhalte ich mich in schwierigen Situationen? Weiß
ich, dass ich mich letztlich allein Gott gegenüber verantworten muss? Für
mich ist unheimlich beeindruckend, wie Bonhoeffer zusammen mit anderen
Gefangenen am Sonntag nach Ostern Gottesdienst im KZ Flossenbürg
(Oberpfalz) hält. Plötzlich heißt es: „Gefangener Bonhoeffer mitkommen“.
Und er verabschiedet sich im Wissen, was auf ihn zukommt, mit den Worten:
„Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens“. Am nächsten Tag –
den 9. April 1945 – wurde er hingerichtet. Diese Gottesgewissheit ist
mein Vorbild. Und ich freue mich, dass der Film in den USA ein
Riesenerfolg war. Er wurde ja nicht nur im Kino gezeigt, sondern auch in
430 örtlichen Fernsehstationen. In den USA war man vom Bonhoefferfilm so
begeistert, dass er zum ersten deutschen Film überhaupt wurde, der vor
dem Kongress – also vor den Mitgliedern des US-Parlaments – präsentiert
wurde. Dazu hatten wir eine Einladung bekommen, was eine große Ehre war.
Der Bonhoeffer­film wird auch jedes Jahr bei der sogenannten
Holocaust-Woche in den USA vorgeführt – die zur Erinnerung an das Dritte
Reich veranstaltet wird. Hat sich dadurch das Deutschlandbild bei den
Amerikanern geändert? Die Amerikaner haben gesehen, dass nicht alle
Deutschen Nationalsozialisten waren, sondern es auch viel Widerstand gab.
Und dann sind sie ebenso beeindruckt, welche unglaubliche Wirkung der
christliche Glaube bei Bonhoeffer hatte. Albert Schweitzers starkes
Zeugnis Der dritte Glaubensheld, über den Sie einen Film produziert
haben, ist Albert Schweitzer (1875–1965), der evangelische Theologe aus
dem damals deutschen Elsass und spätere Friedensnobelpreisträger (1952).
Warum gerade er? Filmplakat zum Kinostart 2009. Foto: PR
Auch er hat etwas ganz Besonderes getan, indem er Europa hinter sich
gelassen, sich in eine völlig fremde Welt begeben und im
zentralafrikanischen Gabun zu damaliger Zeit – 1913 – etwas Einmaliges
aufgebaut hat: das Tropenhospital Lambarene. Was im Übrigen kaum jemand
weiß: Er hat es geschafft, in einer Welt voller verfeindeter Stämme
Menschen dazu zu bringen, sich gegenseitig zu helfen. Wenn vier Männer
aus vier verschiedenen Volksstämmen einen fünften Kranken auf einer Bahre
gemeinsam ins Krankenhaus nach Lambarene tragen, dann ist das ein starkes
Zeugnis christlichen Friedens. Und was ist mit den Glaubenshelden in der
DDR? Warum gibt es eigentlich noch keinen Film über die Glaubenshelden in
der zweiten Diktatur im letzten Jahrhundert in Deutschland, den 40 Jahren
SED-Sozialismus? In einer Evangelisation von Pfarrer Theo Lehmann haben
die entscheidenden Montagsgebete in Leipzig ihren Ursprung. Mit der
Aktion von Pfarrer Harald Bretschneider „Schwerter zu Pflugscharen“ wurde
eine ganze Diktatur ins Wanken gebracht … Diese mutigen Christen leben
ja noch! Sie sprechen mir aus dem Herzen. Aber wir haben leider bisher
keinen Partner dafür in Deutschland gefunden, weder bei den
öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF noch bei den privaten.
Eigentlich müssten das ja auch die Kirchen mitfinanzieren, die derzeit
über genügend Geld verfügen. Wir werden uns bemühen! Die Bedeutung der
Friedlichen Revolution von 1989 kann man ja kaum überschätzen, wenn ich
nur daran denke, dass zwei der höchsten Repräsentanten unseres Staates –
Bundespräsident Gauck und Bundeskanzlerin Merkel – genau von diesem Teil
unserer deutschen Geschichte geprägt sind. Was Christen in der DDR-Zeit
bewirkt haben, wäre es absolut wert, im Kino gezeigt zu werden. Die
Kirchen sollten Filme stärker nutzen Müssten nicht die Kirchen überhaupt
viel mehr in christliche Filme investieren, erreichen sie doch häufig
Menschen, die keine Kirche mehr betreten? So ist es. Wir haben bei
unseren drei christlichen Filmen erlebt, dass viele Zuschauer sehr
berührt waren. Wenn die Kirche ihrem Auftrag gerecht werden will, alle
Menschen zu erreichen, muss sie es auch über die Möglichkeit des Kino-
oder Fernsehfilms tun. Gehen die Menschen nicht in den Gottesdienst, muss
die Kirche zu ihnen gehen. Dabei ist es jedoch wichtig, die Zuschauer
nicht belehren zu wollen. Da wird abgeschaltet. Wir müssen sie
unterhalten, und das Leben von Luther, Bonhoeffer und Schweitzer ist
derart spannend, dass man allein über das filmische Erzählen Menschen
nicht nur fesselt, sondern sie auch ermutigt, sie sich zum Vorbild zu
nehmen. Hollywood setzt auf religiöse Filme Aus Hollywood wird gemeldet,
dass man dort in diesem Jahr stark auf religiöse Filme setzt. So habe der
Streifen „Den Himmel gibt’s wirklich“ (Heaven Is For Real) in den ersten
sieben Wochen umgerechnet 48 Millionen Euro eingespielt, „Der Sohn
Gottes“ 45 Millionen und „Gott ist nicht tot“ bisher 41 Millionen. Diese
Summen sprechen für ein großes Interesse. Oft ist es ja so, dass Wellen
aus den USA nach Deutschland überschwappen. Rechnen Sie damit, dass auch
in Deutschland religiöse Filme beliebter werden können? Wir leben im
deutschsprachigen Europa in einer etwas anderen Kultur. Aber ich rechne
schon damit, dass es überschwappt, wie das in einer global gewordenen
Welt üblich ist. Ich sehe christliche Filme aber aus einem ganz anderen
Grund für wichtig an: Es ist notwendig, dass wir als Christen
selbstbewusster das vertreten, was uns ausmacht. Und da gibt es viele
biblische Geschichten, die wir filmisch noch nicht erzählt haben. Der
christliche Glaube ist mein Fundament Welche Geschichte von Jesus würden
Sie denn gerne einmal filmisch aufarbeiten? Die neue Internetplattform
LUTHERBASE stellt Menschen und Städte der Reformation in Filmbeiträgen
vor. Foto: PR
Den Prozess vor dem Hohen Rat mit der Menschheitsfrage, die der
Statthalter Pilatus stellte: „Was ist Wahrheit?“ (Johannesevangelium
18,38). Hier wird in seltener Klarheit deutlich, was Christus ausmacht
und was er will, wenn er sagt: „Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren
und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus
der Wahrheit ist, der hört meine Stimme“ (Johannesevangelium 18,37 b).
Für mich wird die Faszination der Persönlichkeit von Christus hier
besonders deutlich. Und was bedeutet Ihnen der christliche Glaube? Er ist
mein Fundament. Herzlichen Dank für das Gespräch.